Unseren Atem halten wir für selbstverständlich. Und das ist er glücklicherweise auch.
Wir können ihn aber auch willentlich beeinflussen. Wann und wie dir das helfen kann und wie es funktioniert, erfährst du in diesem Artikel.
Dazu gibt es Anleitungen zu 3 ganz konkreten Übungen für verschiedene Situationen.

Ohne Nahrung können wir notfalls wochenlang, ohne Wasser zumindest tagelang, ohne Atmung nur ganz wenige Minuten überleben. Und dennoch schenken wir unserer Atmung normalerweise kaum Beachtung.

So funktioniert das natürliche Atmen

Unser Atem verbindet Körper und Psyche. Das bedeutet, dass sich die Atmung unwillkürlich verändert, wenn unser Körper oder unsere Psyche Veränderungen ausgesetzt sind.

Am besten kennst du das sicher, wenn du dich körperlich anstrengst. Beim Laufen oder Krafttraining, beim Tanzen, Schwimmen, Holz hacken atmen wir automatisch heftiger, um genügend Sauerstoff zu unseren Muskeln zu pumpen.

Umgekehrt ist es oft in Schreckmomenten oder großer Freude: da stockt der Atem, „die Luft bleibt uns weg“, wie der Volksmund sagt.

Selbst eine Veränderung der Körperhaltung beeinflusst unsere Atmung.

Einzigartig an unserer Atmung ist, dass wir sie bewusst kontrollieren und steuern können.
Dies funktioniert mit keiner anderen Funktion des menschlichen vegetativen (autonomen) Nervensystems. Wir können unsere Atmung sowohl verlangsamen als auch beschleunigen. Ein gezieltes Luft anhalten ist ebenfalls möglich – sonst könnten wir nicht tauchen.
Wir können unsere Atmung außerdem so steuern, dass sie entweder gezielt in den Bauch oder in den Brustkorb fließt.
Den Rhythmus des Herzschlages können wir dagegen nicht verändern – abgesehen vielleicht von einigen Menschen, die in tiefer Meditation sehr geübt sind.

Diese wunderbare Möglichkeit der bewussten Atemlenkung können wir auf verschiedene Art und Weise nutzen.

Das passiert im Körper, wenn du atmest

Unser Herz ist aktiv, wie oben schon beschrieben – es pumpt unser Blut durch die Adern, den Körper-und den Lungenkreislauf.

Unsere Lunge aber ist ein passives Organ. 

Beim Einatmen vergrößert sich der Raum für die Lungen. Der Brustkorb wird durch Muskelkraft vor allem der Zwischenrippenmuskeln geweitet. Und das Zwerchfell, das den Brust- vom Bauchraum trennt, zieht sich nach unten zusammen. So entsteht ein Unterdruck und Luft strömt in die Lungen.

Beim Ausatmen ziehen sich die elastischen Fasern in den Lungen wieder zusammen und das Zwerchfell entspannt sich – die Luft wird rausgepresst. Diesen Vorgang kannst du besonders gut beeinflussen und unterstützen, indem du deine Bauch- Rippen- und sogar Rückenmuskeln aktivierst. Dazu später mehr bei den Übungen.

Der eigentliche Gasaustausch findet in den etwa 300 Millionen Lungenbläschen statt, die von feinsten Blutgefäßen umgeben sind. Die Wände sind für Kohlenstoffdioxid – CO2 – und Sauerstoff – O2 – durchlässig. So gelangt O2 von der Atemluft ins Blut und CO2 nimmt den umgekehrten Weg.

Warum und wann es hilft, bewusst zu atmen

Atmen heißt Leben. Solange wir atmen leben wir. Aber es gibt viele Formen des Atmens.

Hast du dich schon einmal dabei beobachtet, wie du in Stress-, Schreck-, Angst-Situationen unwillkürlich den Atem anhältst oder das Gefühl hast, nicht genug Luft zu bekommen? Oder wenn du dich über jemand oder etwas sehr ärgerst?

Ganz sicher hast du solche Situationen schon häufig erlebt.

Und wünschst du dir manchmal, in derartigen Situationen einfach gelassener reagieren zu können?

Dann solltest du jetzt unbedingt weiter lesen!

Du erfährst, was Atmung mit Entspannung zu tun hat – ungeheuer viel – und wie du deinen Atem in verschiedenen Situationen bewusst einsetzen kannst.

Andererseits macht bewusstes Atmen auch beim Sport sehr viel Sinn. Du kannst mehr Kraft entfalten, deine Leistungsfähigkeit verbessert sich und sogar deine Haltung.
Und du weißt sicher, welchen großen Einfluss deine Körperhaltung auf deine Außenwirkung und dein eigenes Befinden hat. Gut aufgerichtet wirkst du jünger, dynamischer, offener, selbstbewusster und fühlst dich selbst tatsächlich besser.
Dieser Bereich würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen – dazu werde ich später einen eigenen Beitrag verfassen.

Viele Menschen haben überhaupt kein Bewusstsein für ihre Atmung. Ich sehe das auch immer wieder in meinem Coachings.

Im Yoga hat der Atem eine zentrale Bedeutung, und erst durch meine langjährige Yogapraxis wurde mir selbst bewusst, wie stark wir unsere Stressreaktionen durch entsprechende Atmung positiv beeinflussen können.

Du musst nicht Yoga praktizieren, um von den wunderbaren Möglichkeiten des bewussten Atmens zu profitieren. Ich zeige dir im folgenden Kapitel, wie du mit einfachen Atemübungen viel mehr Entspannung und Gelassenheit in deinen Alltag  bringst.

Wer von euch mindestens ein Kind geboren hat, der kennt die Bedeutung der Atmung während des anstrengenden Geburtsprozesses.

Über eine bewusste Atmung kannst du dich entspannen und wieder zentrieren, fokussieren auf die wirklichen wichtigen Dinge.

3 Atemübungen für deinen Alltag

   1. Atemübung gegen Stress

Diese Übung kannst du wirklich überall durchführen – im Stehen, Sitzen oder Liegen.
Im Idealfall setzt du dich ganz aufrecht (aber bequem) hin.

Schließe die Augen und atme nur durch deine Nase.

Und nun tue nichts anderes als deinen Atem über einige Minuten ganz bewusst zu beobachten:

  • wie fühlt er sich an, wenn er durch die Nase in dich einströmt?
  • wie, wenn er die Nase wieder verlässt?
  • verändert er sich mit der Zeit in Tiefe und Länge?
  • Mache dir bewusst, dass dich jeder einzelne Atemzug mit frischem Sauerstoff und damit mit Leben und Energie füllt.

Wie gesagt, nimm es einfach nur wahr – wie ein neutraler Beobachter – und versuche nicht, Einfluss darauf zu nehmen.

Ganz automatisch wirst du entspannter, Körper und Geist kommen zur Ruhe.

Das funktioniert z.B. auch ganz wunderbar zurückgelehnt im Zahnarztstuhl 😉.

   2. Atemübung, um abends besser abschalten zu können

Du kannst die Übung zum Beispiel direkt nach der Arbeit auf einer Matte oder auf einem Teppich machen, um zuhause und bei dir anzukommen. Oder du übst sie sogar direkt in deinem Bett unmittelbar vor dem Einschlafen – wahrscheinlich schläfst du dabei auch direkt ein. Bei mir funktioniert das immer, wenn meine Gedanken mal wieder zu sehr Karussell fahren.

Lege dich gerade auf den Rücken.

Vielleicht magst du dir eine gerollte Decke oder ein Kissen unter die Kniekehlen legen, damit sich dein Rücken besser entspannen kann. 

Lass deine Füße locker nach außen fallen. 

Lege deine Hände auf deinen Bauch.

Atme durch die Nase eine und aus. Spüre, wie sich dein Bauch hebt, wenn du einatmest und senkt, wenn du ausatmest.

Und nun zähle innerlich einen Rhythmus: zähle langsam bis 3 während du einatmest, zähle langsam bis 5 während du ausatmest. Und immer so weiter für einige Minuten.

Dieser Rhythmus 3:5 ist für sehr viele Menschen genau passend. Du kannst aber gern mal einen anderen Rhythmus ausprobieren, denn auch hierbei gibt es individuelle Unterschiede – wir Menschen sind nun mal nicht alle gleich. Auf jeden Fall sollte die Ausatmung deutlich länger sein als die Einatmung.
Das führt nämlich zu einer Beruhigung deines vegetativen Nervensystems und fördert somit auch das Abschalten am Abend.

   3. Atemübung für mehr Gelassenheit

Für diese Übung setze dich aufrecht hin, entweder auf die vordere Kante eines Stuhls, die Füße hüftbreit aufgestellt oder gern auch auf ein Meditationskissen mit gekreuzten Beinen. Auf jeden Fall solltest du deinen unteren Rücken ohne Anstrengung aufrichten können.

Schließe während der Übung am besten die Augen.

Hier empfehle ich dir die Wechselatmung. Sie hilft nicht nur dabei, gelassener zu werden. Sie wirkt auch ausgleichend auf deine Gehirnhälften und reinigend auf deine Nasennebenhöhlen. Ich empfehle die Wechselatmung auch immer bei beginnender Erkältung. Wenn dein Körper nicht auf einer Auszeit besteht, kannst du die Erkältung sogar abwenden.

Damit du es einfacher hast, findest du nach der Beschreibung noch eine Audioanleitung – so fällt dir der Anfang sicher leichter.

Ausführung:

  • Lege Daumen und Ringfinder einer Hand locker auf die kleinen Vertiefungen oberhalb deiner Nasenflügel.
  • Atme durch beide Nasenlöcher aus.
  • Verschließe nun dein rechtes Nasenloch mit leichtem Druck und atme nur durch dein linkes Nasenloch ein.
  • Verschließe kurz beide Nasenlöcher.
  • Öffne nun dein linkes Nasenloch und atme nur über rechts vollständig aus.
  • Atme wieder ein über rechts.
  • Verschließe beide Nasenlöcher und öffne dann wieder das linke, um auszuatmen.
  • Führe auf diese Weise deinen Atem immer von der einen in die andere Nasenseite.
  • Wiederhole diese Übungen für einige Runden bis zu einigen Minuten.
  • Lass am Ende die Hand sinken und spüre noch für einige Augenblicke nach, wie sich deine Nasengänge nun anfühlen.
  • Schenke dir ein inneres Lächeln, bevor du langsam deine Augen wieder öffnest.

 

Was du sonst noch über Atmung wissen solltest

Durch die Nase atmen. Nur bei großer Anstrengung kann es nötig sein, durch den Mund zu atmen. Ansonsten ist es viel besser und gesünder, durch die Nase zu atmen – mindestens einzuatmen. Hierdurch wird die Luft angefeuchtet, Keime und Schmutzteilchen aus der Luft werden durch die Nasenhärchen wie durch einen Filter aufgehalten.

In Sportkursen ist mir häufig diese Aufforderung begegnet: „tief einatmen!“.

Ich sage es in meinen Trainings anders an: „vollständig ausatmen!“. Anschließend atmet der Körper fast automatisch tief ein. Und es kann ein guter Gasaustausch in den Lungenbläschen stattfinden. Ansonsten ist es wie beim Schnorcheln: wenn du hier nicht tief ein- und ausatmest, wird die – verbrauchte – Luft nur hin und hergeschoben, aber der Weg ist zu lang für einen guten Gasaustausch.

Bei Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD kann es sehr hilfreich sein, beim Ausatmen eine „Bremse“ einzubauen. Entweder indem du durch den fast geschlossenen Mund mit „f“ oder „sch“ ausatmest. Oder wie oben bei der Wechselatmung beschrieben immer nur durch ein Nasenloch.

3 Tipps zum Schluss

> Mach dir deine Atmung immer mal wieder bewusst.

> Wenn du dich das nächste mal über deinen Partner, deine Chefin, deine Kinder, … ärgerst, halte      kurz inne und sende deine ganze Aufmerksamkeit zu deiner Atmung.

> Nutze die Atemübungen wann immer dir danach ist. Auch hier wirst du durch Übung schneller und besser entspannen lernen.